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Höllenhaus der Vampire
von Ryder Delgado
Little Ear setzte den Feldstecher ab, fuhr sich mit
Daumen und Zeigefinger der Linken über die Au-
gen und reichte das Glas nach kurzem Zögern an
Sheriff Watkins weiter. Der grauhaarige Mann
starrte sekundenlang zu dem flackernden Lagerfeu-
er weit vor ihnen hinunter, schüttelte ein paarmal
den Kopf und sah Little Ear dann verwirrt an.
»Wenn ich es nicht selbst gesehen hätte …« Er
führte den Satz nicht zu Ende, aber sein Schweigen
war fast beredter als alles, was er hätte sagen kön-
nen. »Deswegen hast du mich also geholt.«
Der Indianer nickte. »Ich konnte es Ihnen nicht sa-
gen, Sheriff«, flüsterte er. »Sie hätten es mir sowie-
so nicht geglaubt.«
Watkins lächelte, aber es wirkte reichlich verunglückt. »Da hast du
wohl recht«, sagte er unsicher. »Ich glaube es ja jetzt noch nicht.«
Er setzte den Feldstecher wieder an und starrte erneut ins Tal hinab.
Little Ear erhob sich vorsichtig auf Ellbogen und Knie und begann
die Düne hinabzukriechen. Der lockere Sand gab immer wieder un-
ter ihm nach, so daß er den Hang mehr herabrutschte als wirklich
kroch. Unten angekommen, richtete er sich umständlich auf, klopfte
sich den Staub aus Hose und Jacke und ging dann zu Watkins Pa-
trol-Car zurück, der im Schutze einiger dürrer Büsche neben der
Straße stand. Er öffnete die Beifahrertür, ließ sich auf den Sitz fallen
und zündete sich mit erzwungenen ruhigen Bewegungen eine Ziga-
rette an.
Er fror mit einem Mal, obwohl es selbst für die Jahreszeit erstaun-
lich warm war. Sein Blick irrte immer wieder nervös zum Kamm der
Düne hinauf, wo Watkins immer noch bewegungslos lag und zum
Lager hinunterstarrte.
Es schien Stunden zu dauern, bis der Sheriff endlich zurückkam
und sich neben ihn auf den Fahrersitz fallen ließ. Er zog die Tür hin-
ter sich zu, verstaute das Fernglas im Handschuhfach und drehte
den Zündschlüssel. Die beiden roten Kontrolleuchten auf dem Ar-
maturenbrett glommen wie zwei winzige, böse Augen auf. Aber
Watkins verzichtete noch darauf, den Motor zu starten. Er lehnte
sich zurück, fuhr sich mit gespreizten Fingern durch das Haar und
seufzte hörbar.
»Ich bin ein Feigling, Little Ear, weißt du das?« fragte er plötzlich.
Selbst im schwachen Licht des Mondes war zu erkennen, wie blaß er
geworden war. Seine Unterlippe zitterte. »Es wäre meine Pflicht,
jetzt hinunterzugehen und diese ganze Bande zu verhaften.«
»Sie würden Sie töten, Sheriff«, antwortete der Indianer mit einer
Ruhe, die ihn fast selbst erstaunte. »Genau wie die beiden armen
Hunde dort unten. Außerdem«, fügte er nach einer kurzen, nach-
denklichen Pause hinzu, »sind sie unschuldig. Sie würden den wah-
ren Schuldigen nicht kriegen.«
Watkins nickte, griff nervös nach Little Ears Zigaretten und ließ
sein Feuerzeug aufschnappen. »Mein Gott«, murmelte er, »hättest
du mir das alles vor einer Stunde erzählt, hätte ich dich zur Aus-
nüchterung in eine Zelle gesperrt. Oder vielleicht gleich eine
Zwangsjacke herausgeholt. Was ist mit deinen Leuten los? Sind sie
völlig übergeschnappt?«
Little Ear zögerte, zu antworten. »Ich weiß es selbst nicht, Sheriff«,
murmelte er schließlich. »Es war alles schon so, als ich vor einer Wo-
che zurückkam.«
»Wie lange bist du fortgewesen?«
Little Ear zuckte die Achseln. »Das ganze Semester. Was immer in
sie gefahren ist – es muß während des letzten halben Jahres gesche-
hen sein.«
Watkins schüttelte erneut den Kopf. »Das ist Wahnsinn«, flüsterte
er. »Sie stellen Menschen an den Marterpfahl – und das im zwan-
zigsten Jahrhundert!« Er drückte seine kaum angerauchte Zigarette
im Aschenbecher aus, griff nach dem Zündschlüssel und ließ den
Motor anspringen.
»Was haben Sie vor?«
Watkins ließ den Wagen vorsichtig zur Straße zurückrollen und
langte gleichzeitig nach dem Mikrofon des Funksprechgeräts. »Ver-
stärkung anfordern«, sagte er.
»Was sonst? Wenn deine Leute bei ihren alten Sitten bleiben, wird
es noch eine Zeit dauern, bis sie anfangen, die armen Hunde zu fol-
tern. Vielleicht kommen wir rechtzeitig genug, um das Schlimmste
zu verhindern.« Er drückte mit dem Daumen die Ruftaste und war-
tete darauf, daß der Anruf von der Zentrale beantwortet wurde.
Aber aus dem Lautsprecher drang nur statisches Rauschen. Watkins
runzelte unwillig die Stirn und drückte hektisch ein paar Knöpfe auf
dem Funkgerät. Aber das Knistern und Rauschen blieb.
»Mist!« sagte er wütend.
»Was ist los?«
»Nichts ist los!« schnappte Watkins. »Das Mistding ist wieder mal
hin. Wir werden bis zum nächsten Telefon fahren müssen.« Er knall-
te das Mikrofon wütend auf die Gabel zurück und kurbelte wild am
Lenkrad, um den Wagen zu wenden. Die beiden Scheinwerfer rissen
grelle Lichtstreifen aus der Dunkelheit, und als Watkins Gas gab,
schienen die Büsche rechts und links der Straße zu flachen Schemen
zu verschmelzen.
Little Ear sah sich immer wieder nervös um. Plötzlich und ohne
daß er einen wirklichen Grund dafür hätte angeben können, hatte er
Angst, panische Angst. Watkins fuhr schnell, und er wußte, daß es
im Lager keinen Wagen gab, der es mit dem Patrol-Car aufnehmen
konnte. Trotzdem hatte er Angst.
Auf dem College hatten sie ihm beigebracht, die Welt so zu sehen,
wie sie war – klar, übersichtlich, ein unglaublich kompliziertes Sys-
tem, aber gegliedert nach streng wissenschaftlichen und logischen
Mustern.
Aber dies hier war nicht das College, sondern die Heimat seines
Volkes, das Land, in dem die Indianer seit Jahrtausenden gelebt hat-
ten, die Heimat von Legenden und Sagen, Mythen und uralten Ri-
ten.
Ganz egal, welchen Grund er vorgab – er hatte sein Volk verraten,
auch wenn er der festen Überzeugung war, es zu seinem Besten zu
tun.
Plötzlich mußte er wieder daran denken, was sein Großvater ein-
mal gesagt hatte. Sein Großvater war ein stolzer alter Mann gewe-
sen, und er hätte dieses Land noch gekannt, als es noch den India-
nern gehörte, als der weiße Mann es noch nicht vollständig erobert
hatte. Er hatte von alten Göttern gesprochen, von den Mächten des
Schicksals, die über sein Volk wachten …
Little Ear schauderte.
»Was hast du?« fragte Watkins, ohne den Blick von der Straße zu
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